Die neunjährige Lisa lebt mit ihrer Mutter und zwei kleinen Brüdern in
einer Notunterkunft für obdachlose Familien. Schon Mitte des Monats wird die
Sozialhilfe knapp und die Mahlzeiten bestehen fast nur noch aus Nudeln mit
billigem Ketchup. An schlechten Tagen gibt es überhaupt keine warme Mahlzeit
und nicht selten fehlt auch das Pausenbrot in der Schule.
Teufelskreis Armut
Lisa ist kein Einzelfall. Rund zwei Millionen Kinder in Deutschland leiden nach
Angaben der Arbeiterwohlfahrt unter Armut. Über eine Million Minderjährige
leben von Sozialhilfe. Bis zu rund 2.500 von ihnen leben auf der Straße.
Insgesamt lebe "jedes siebte Kind in Armut und Vernachlässigung",
rechnet "Children for a Better World" vor, eine Hilfsorganisation, die
in Deutschland Kinder in Not unterstützt. Folge der Armut sei oft "eine
perspektivenlose Zukunft." Ein Teufelskreis: Kinder, die von Armut
betroffen sind, bleiben es meist für immer. Auch deren Kinder entkommen der
Armutsspirale nur selten.
Anstieg der Kinderarmut
Die Zukunft verheißt wenig Gutes: Die Krise auf dem Arbeitsmarkt wird zwangsläufig
einen erneuten Anstieg der Kinderarmut nach sich ziehen. Die Zahl der von
Sozialhilfe lebenden Kinder wird sich durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen-
und Sozialhilfe auf 1,5 Millionen erhöhen, schätzt das Deutsche
Kinderhilfswerk. Dabei gehören Kinder schon jetzt weitaus häufiger zu den
Sozialhilfeempfängern als etwa ältere Menschen: Während 6,6 Prozent der
Minderjährigen Sozialhilfe erhalten, sind es bei den über 65 Jährigen 1,6
Prozent.
Armutsrisiko Kinder
Betroffen sind vor allem Sprösslinge von Sozial- und Arbeitslosenhilfeempfängern,
allein Erziehenden und aus kinderreichen Familien. Der Verdienst der Eltern
liegt meist unter der Hälfte des Durchschnittseinkommens. Die Lebensbedingungen
dieser Kinder kommen einer psychischen Misshandlung gleich. Rund neunzig Prozent
von ihnen hat Gesundheitsprobleme durch mangelnde oder gar fehlende Ernährung.
Ein Grund: "Bereits mit acht Jahren müssen viele Kinder ihren Tagesablauf
selbst meistern", erklärt Ulrich Bogert, Lehrer an einer Bremer
Grundschule. "Gemeinsame Mahlzeiten oder Freizeit mit den Eltern sind ihnen
fremd."
Armut verbergen aus Scham
Die Armut ist nicht immer auf den ersten Blick zu sehen. Kinder, die an
Mangelerscheinungen leiden, unterscheiden sich äußerlich oft nicht von ihren
Altersgenossen. Aus Scham versuchen Familien, ihre Armut zu verbergen, kleiden
ihre Kinder besonders ordentlich - niemand soll merken, dass sie arm sind.
Eine warme Mahlzeit für Kinder
Mangelndes Sozialverhalten
Lehrer als Sozialarbeiter
Erschütternde Alltagsgeschichten
Der zehnjährige Stefan ist so ein Fall. Sein Vater ist Hilfsarbeiter, seine
Mutter leidet an Depressionen. Wenn es ihr schlecht geht, sorgt niemand für
ihn. Er bekommt dann Geld, davon kauft er sich meistens Süßigkeiten und Cola.
Kleine Freuden, die aber nur kurz darüber hinwegtrösten, dass Stefan nie echte
Fürsorge erfährt und sehr einsam ist.
"Lawine traumatisierter Menschen"