
Aktionärsschützer kritisieren Vorstandsgier
Während das Gehalt des durchschnittlichen Angestellten gleich
blieb, stiegen die Vergütungen der Bosse um 21 Prozent
FRANKFURT/M. taz
Kann sich der Mayerhuber-Wolfgang überhaupt noch im noblen Golfclub der
bayerischen Landeshauptstadt München blicken lassen? Schließlich wissen dort
doch jetzt alle, dass der Boss der Deutschen Lufthansa AG nur schlappe 1,3
Millionen Euro brutto pro Jahr verdient. Und dass dagegen der Schweizer Josef
Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, fast 12 Millionen Euro
brutto kriegt. Das steht ja neuerdings alles drin in den Geschäftsberichten der
im Deutschen Aktienindex DAX notierten Unternehmen in Deutschland.
Das ab 2007 zwingend geltende Vorstandsvergütungsoffenlegungsgesetz schaffe
schon aktuell die von der Öffentlichkeit und auch vielen Aktionären seit
Jahren geforderte "notwendige Transparenz", freute sich gestern auch
der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Klaus
Schneider. Doch darüber, was ein Vorstandsvorsitzender tatsächlich im wahrsten
Wortsinne verdiene, lasse sich auch weiterhin trefflich streiten, konstatierte
Schneider gestern auf der Jahrespressekonferenz der SdK in Frankfurt.
Schließlich habe selbst der Chef einer nur Verluste schreibenden Firma wie
Infineon im abgelaufenen Geschäftsjahr noch stolze 2,5 Milliarden Euro
bekommen, während der "arme" Kollege von der Lufthansa in schweren
Zeiten eine recht ordentliche Arbeit abgeliefert habe.
Es könnte also durchaus sein, dass das Transparenzgebot auch dazu führt,
dass ein paar "unterbezahlte" Bosse demnächst bei ihren Aufsichtsräten,
die für die Gehaltsfragen in den Topjobs zuständig sind, vorstellig werden und
das üppigere Salär etwa der Kollegen bei RWE oder bei SAP einklagen. Die
bekommen im Jahr 7,6 Millionen respektive 5,7 Millionen Euro.
Begrüßt würde diese Entwicklung von der SdK allerdings nicht. Denn schon
heute sei die Vergütungssumme der Vorstände aller im DAX notierten Unternehmen
seit 2003 um stolze 21 Prozent auf jetzt 486 Millionen Euro angestiegen, so
Schneider. Dabei hätten die Vorstandsvorsitzenden im Durchschnitt 74 Prozent
mehr Geld bekommen als die "einfachen" Vorstandsmitglieder. Noch stärker
erhöht haben sich nach den Berechnungen der SdK die Bezüge der
Aufsichtsratsmitglieder. Die Summe stieg von 2003 bis 2005 um 31 Prozent auf 51
Millionen Euro an.
Mit Sorge verfolgt die Schutzgemeinschaft diese "Tendenz zur Anpassung
nach oben". Laut Aktiengesetz habe die Vorstandsvergütung nämlich
"angemessen" zu sein. Gemessen am Durchschnittseinkommen aller anderen
Arbeitnehmer in Deutschland, das seit Jahren konstant 40.000 Euro brutto
betrage, so SdK-Vorstandsmitglied Reinhild Keitel, würden die stark gestiegenen
Topmanagergehälter dieser gesetzlichen Bestimmung nicht gerecht.
Gefordert seien jetzt die Aufsichtsräte, allzu gierige "leitende
Angestellte", so Schneider, in die Schranken zu weisen hätten.
Gegenseitige personelle Verflechtungen, also Aufsichtsratsposten für Vorstände
anderer Unternehmen, seien auf diesem Weg zur Begrenzung von Tantiemen
allerdings "nicht gerade hilfreich".
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
taz Nr. 8037 vom 2.8.2006, Seite 8, 104 TAZ-Bericht KLAUS-PETER
KLINGELSCHMITT
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